Energien im rotierenden System

Um ein Zentrum kreisende Objekte werden in aller Regel gleichwertig zu einem Federschwinger behandelt. Das hängt damit zusammen, daß sich mathematisch an verschiedenen Stellen die gleichen Zusammenhänge ergeben. Es darf allerdings nicht aus den Augen verloren werden, daß es sich um prinzipiell zwei unterschiedliche Vorgänge handelt. Insbesondere stellt das Fadenpendel lediglich eine in einem konservativen Kraftfeld degenerierte Rotationsbewegung dar.

Auch in diesem Abschnitt werden die energetischen Verhältnisse aus mechanischen Überlegungen heraus betrachtet. Als erstes jedoch seien nochmals die bei einer kreisförmigen Bewegung auftretenden Kräfte respektive die daraus resultierenden Energien zusammengefaßt:

Alle nachfolgenden Betrachtungen gelten für den einfachsten Fall der ebenen, gleichmäßigen Rotation um ein ruhendes Zentrum herum.

Die tangentiale Energie

Die tangentiale Energie ist diejenige, die am leichtesten zu fassen ist. Es ist die kinetische Energie die das umlaufende Objekt entlang seiner Bahn besitzt. Um mit einem umlaufenden Objekt wechselwirken und damit seine Energie bestimmen zu können, muß sich ein Beobachter konsequenter Weise auf der Bahn des Objektes befinden. Aus diesem Grund ist es wenig sinnvoll das System von außen betrachten zu wollen3. Die kinetische Energie ist also schlicht und einfach gemäß [1] Gleichung (7): E T = m 0 c 2 1 - v 0 2 c 2 (1) = m 0 c 2 1 - λ 2 f 2 c 2 Warum gilt hier jetzt das Masse-Energie-Äquivalent? Einfache Antwort: Weil voraussetzungsgemäß eine gleichmäßige Rotation betrachtet wird. Hierbei bleibt die Bahngeschwindigkeit konstant und deswegen muß man davon ausgehen, daß dem umlaufenden Objekt ständig Energie zugeführt wird. Der Ausgangspunkt aller Betrachtungen in dieser Arbeit ist die Thermodynamik. Hier tritt immer Reibung zwischen einem gasförmigen Medium und einem sich darin bewegenden Objekt auf. Die bremsende Wirkung dieser Reibung kann nur durch kontinuierliche Energiezufuhr eliminiert werden.

Das im Regelfall eine Wellenlänge symbolisierende λ in (1) bezeichnet hier die Länge der Bahn die ein um ein Zentrum rotierendes Objekt in jedem Umlauf zu bewältigen hat. Die Frequenz ist nichts anderes als die „Drehzahl“ mit der das Objekt umläuft. Es ist natürlich ebenso möglich hier das gebräuchlichere r 2 ω 2 anstelle von λ 2 f 2 zu verwenden.

Zentrifugal- und Zentripetalkraft

Aus der Anschauung heraus ist bekannt, daß eine Rotation auf einer stabilen Bahn nur dann zustande kommt, wenn die Zentrifugalkraft — das ist beim Hammerwerfen die Kraft, die den Hammer spürbar nach außen zieht — und die Zentripetalkraft — die Kraft die beim Beispiel die Muskulatur der Finger aufbringen muß — ausgeglichen sind4. Ist dem nicht so, ergibt sich eine spiralförmige Bahn bis hin zur Flucht des Objektes oder dessen Aufschlag auf das Rotationszentrum. Die Zentrifugalkraft — und mit umgekehrtem Vorzeichen die Zentripetalkraft — berechnet sich zu: F S = m 0 v T 2 r = 2 π m 0 v T 2 λ (2) = 2 π m 0 λ f 2 Der Weg um aus der Wirkung dieser Kraft heraus eine Energie zu berechnen führt über das Gleichgewicht zwischen Zentrifugalkraft und der gemäß der Situation aufgebrachten Zentripetalkraft. Es ist dabei üblich aber nicht notwendig Gravitations- oder elektrostatische Felder als Vermittler der Zentripetalkraft anzunehmen. Es gibt auch einen mechanisch anschaulichen Ansatz der ohne die Existenz von Feldern auskommt.

Es ist bekannt, daß das Seil — wir bleiben beim Beispiel des Hammerwerfers — seine Länge geringfügig ändert. Es ist aus der technischen Mechanik auch bekannt, daß sich dadurch der Querschnitt des Seils ändert. Im speziellen Fall eines isotropen Materials im elastischen Bereich der Verformung gilt Δ d d = - μ Δ l l wobei d den Durchmesser und l die Länge des Seils bezeichnet. Dieses Verhalten kann auch auf die Querschnittsfläche bezogen werden. A = π d 2 4 d = 4 A π Δ A A = - μ Δ l 2 l 2 Der Zusammenhang zwischen Längen- und Flächenänderung ist für die Berechnung der Energie notwendig.

Dividiert man die Zentrifugalkraft nach (2) durch die Fläche auf die die Kraft wirkt, erhält man eine Zugspannung. Da die Kraft auf das gedehnte Seil wirkt, muß das in der Gleichung berücksichtigt werden. Daher wird der Bahnumfang anders als in (2) dargestellt. Das Seil hat im belasteten Fall eine geringfügig größere Länge und einen ebenso geringfügig kleineren Querschnitt. λ = λ ' + Δ λ (3) σ S = 2 π m 0 λ ' + Δ λ f 2 A - Δ A Multipliziert man wiederum diese Spannung mit einem Volumen, erhält man eine Energie. Zu diesem Volumen — nämlich dem des durch die Belastung gedehnten Seils — gelangt man auf recht einfache Weise. V = l ' + Δ l A - Δ A = λ ' + Δ λ A - Δ A 2 π Damit kann die im Seil gespeicherte Energie berechnet werden. E S = m 0 λ ' + Δ λ 2 f 2 Diese Gleichung wird nun noch dahingehend vereinfacht, als daß der Radius der in der Bewegung stabilen Umlaufbahn rücksubstituiert wird. (4) E S = m 0 λ 2 f 2

Da das Seil die gesamte Energie in Form einer Zugspannung speichert, muß sie sich gleichmäßig auf beide Objekte — das Umlaufende und das im Zentrum — verteilen um den Energieerhaltungssatz zu erfüllen. Die Gleichung (4) ist also lediglich durch 2 zu dividieren und man erhält die Energie die notwendig ist, um den Hammer auf seiner kreisförmigen Bahn in konstanter Geschwindigkeit zu halten. (5) E R = m 0 λ 2 f 2 2 Diese Gleichung entspricht nun voll und ganz dem Ergebnis anderer Herleitungen. Hier darf auch auf gar keinen Fall das Masse-Energie-Äquivalent angesetzt werden. Bei der gleichmäßig kreisförmigen Bewegung ändert sich der Abstand zwischen umlaufendem Objekt und Rotationszentrum nicht. Es sei auch angemerkt, daß die Gleichung nicht korrekt ist. Im Abschnitt 2 wird mit der Herleitung von (8) gezeigt werden, daß die im Seil gespeicherte Energie größer ist.

Es ist noch einzuwerfen, daß es nicht plausibel erscheint, warum die im Seil gespeicherte Energie auf beide Objekte — Rotationszentrum und umlaufendes Objekt — zu verteilen ist. Immerhin ist das bei der Kraft der das Seil ausgesetzt ist nicht der Fall. Zur Veranschaulichung nehmen wir Guerickes Experiment. Die auf die Halbkugeln wirkende Kraft ist immer die, die das weniger kräftige der beiden Pferdegespanne aufbringt. Was sich allerdings verdoppelt gegenüber dem Fall, daß die Halbkugeln zwischen dem weniger kräftigen Gespann und einer Wand gezogen werden, ist die aufgebrachte Leistung. Da Leistung umgangssprachlich Arbeit pro Zeit ist und Arbeit letztlich eine energetische Größe darstellt, verdoppelt sich auch die Energie des Gesamtsystems. Gut zu sehen daran, daß das stärkere Gespann das schwächere mitzieht.

Diese radiale Energie hat nun eine besondere Eigenschaft. Prallt das umlaufende Objekt während seines Umlaufes auf ein Hindernis in seiner Bahn oder aber flüchtet es aus dem System, erhält dieses Objekt eine Beschleunigung, die vom Zentrum weg gerichtet ist. Im Idealfall kann diese Beschleunigung mit einem Dirac-Impuls beschrieben werden. Für eine unendlich kurze Zeit ist die Beschleunigung unendlich hoch. Eine Eigenschaft dieses Impulses ist, daß sein Integral 1 ergibt. Die daraus resultierende Energie ist also durchaus nicht unendlich hoch sondern entspricht (5). Das flüchtende Objekt „spürt“ diesen Impuls als spontanen Übergang aus einer radial beschleunigten in eine linear gebremste Bewegung. Das Zentrum der Rotation hingegen erhält einen Rückstoß. Es wird senkrecht zum flüchtenden Objekt beschleunigt. Seine kinetische Energie entspricht dann numerisch ebenfalls (5).

Die Coriolis-Kraft

Die Coriolis-Kraft wird völlig zu Recht als Scheinkraft bezeichnet. Im Prinzip handelt es sich dabei um nichts anderes als eine Geschwindigkeitsdifferenz zwischen den Punkten einer um einen ihrer Endpunkte rotierenden Geraden5. Real wird diese Kraft, wenn sich ein Objekt entlang dieser Geraden und mechanisch ans Zentrum gekoppelt bewegt. In dem Fall muß dem Objekt laufend Energie zugeführt bzw. entzogen werden um seine Umlauffrequenz konstant zu halten.

Die Definitionsgleichung dieser Kraft ist: F C = 2 m 0 v R × ω Es wird nach wie vor ein ebenes, gleichmäßig rotierendes System vorausgesetzt. Daher vereinfacht sich die Definitionsgleichung. F C = 2 m 0 v R ω = 4 π m 0 v R f Die radiale Geschwindigkeit v R wird als Ableitung des Radius’ — des Abstandes vom Rotationszentrum — nach der Zeit ausgedrückt. v R = r t F C = 4 π m 0 f r t Die Geschwindigkeit v R die in der Definitionsgleichung eingesetzt wird, kann auch direkt durch die Änderung der Bahngeschwindigkeit v T ausgedrückt werden. ω = φ t t = 1 ω φ t = 1 v R r v R ω = r φ v R = ω r φ v T = r ω v R = v T r r φ In die vereinfachte Definitionsgleichung eingesetzt ergibt sich: F C = 4 π m 0 v T f r r φ Damit wird die Energiedifferenz bei einer Änderung des Bahnradius’ ermittelbar. E C = F C s s = r φ E C = 4 π m 0 v T f r v T = λ f E C = 4 π m 0 λ f 2 r r = 1 2 π λ E C = 2 m 0 λ f 2 λ Nach dieser nicht besonders aufwändigen Umformung der Definitionsgleichung der Coriolis-Kraft kann nun entgültig die Energie bestimmt werden, die einem Objekt zugeführt oder entzogen werden muß wenn es seinen Bahnradius ändert und dabei die Umlauffrequenz konstant bleiben soll. (6) E C = m 0 f 2 λ 0 2 - λ 1 2 Wegen der Kommutativität der Multiplikation, ist diese Gleichung leicht für die Umlauffrequenz anzugeben. (7) E C = m 0 λ 2 f 0 2 - f 1 2

Diese „Fingerübung“ hatte letztlich nur den Zweck zu zeigen, daß die Energie aus der Coriolis-Kraft nichts anderes beschreibt als die Differenz der Energie aus der zentripetalen Kraft bei einer Änderung des Bahnradius’. Daraus kann ohne Umschweife gefolgert werden, daß diese Energie bei jeder Änderung der Bewegungsparameter des umlaufenden Objektes eine Rolle spielt. Die klassische Definition der Coriolis-Kraft ist zu eng gefaßt. Eine exaktere Gleichung wird mit (8) gezeigt werden.