Das Kelvin

Eine brauchbare Definition steht für das Kelvin nicht wirklich zur Verfügung. Ebenso wenig gibt es dafür — wie schon beim elektrischen Strom — eine Referenz zur direkten Messung. Die Messung der Temperatur geschieht auf vielerlei Art. Entweder wird die Ausdehnung von Materialien gemessen, die Widerstandsänderung von Leitern oder die Farbe — korrekt die Wellenlänge — der abgegebenen Strahlung. Sie erfolgt also indirekt.

Zwischen der Thermodynamik, der das Kelvin zugeordnet werden kann, und der Elektrodynamik gibt einen sehr direkten Berührungspunkt. In der Halbleiterelektronik und auch in der Strahlungsphysik taucht immer wieder die Temperaturspannung auf. (8) U T = k B T q Die Einheiten, die mit dieser Gleichung zur Spannung führen sind W A . Das Watt hat hier eine sehr seltsame Doppelbedeutung. Die Boltzmann-Konstante hat Ursprung und Bedeutung in der kinetischen Gastheorie. Mehr oder minder handelt es sich um eine Konstante der Mechanik. Der Bogen zur Elektrodynamik ist dadurch gegeben, daß das Watt — vollkommen losgelöst aus den anderen Teilgebieten der Physik — als Produkt von Spannung und Strom definiert ist. Vom mechanischen zum elektrischen Watt gibt es keinen logisch korrekten Weg. Ebenso wenig kann die Temperatur Elektrodynamik oder kinetischer Gastheorie zugeschrieben werden. Bestenfalls noch der Mechanik, weil bei Reibungsprozessen Wärme — also eine Temperaturdifferenz — auftritt. Die logischen Verwickelungen sollen ein wenig näher untersucht werden.

Für die Elementarladung gilt wieder das bei der Betrachtung des elektrischen Stromes Gesagte. Sie wird für den Moment als mit einer Masse äquivalent betrachtet. In diesem Kontext ist die Spannung mit einem Potential – einer Beschleunigung — identifiziert. Das bereitet insofern ein Problem, als daß diese Identifikation auch mit der elektrischen Feldstärke erfolgt und, daß die Spannung dann eigentlich eine „Beschleunigung der Beschleunigung“ sein müßte. Diese Äquivalenz hebelt andere Äquivalenzbetrachtungen ganz einfach aus. Wollte man sie dennoch aufrecht erhalten, wäre das Produkt aus Boltzmann-Konstante und Temperatur einer Kraft äquivalent. Durch diese kleine, unscheinbare Gleichung treten die Widersprüche in der klassischen Äquivalenzbetrachtung von Ladung und Masse deutlich zu Tage. Diese Widersprüche können allerdings leicht aufgelöst werden. Man muß nur ein wenig Abstand zur tradierten Sichweise nehmen.

Aus der Zustandsgleichung eines Gases der Thermodynamik (9) und der Grundgleichung der kinetischen Gastheorie (10) kann ein Zusammenhang zwischen Temperatur und mittlerer Geschwindigkeit der Gasmoleküle abgeleitet werden. (9) p V = m R s T (10) p V = m v 2 3 (11) T = v 2 3 R s

Das Volumen ist durch direkte Messung zu bestimmen. Der Druck kann aus direkt meßbaren Größen berechnet werden und die Temperatur ist ebenfalls gut meßbar wenn auch nicht direkt. Die spezielle Gaskonstante R s ist eine empirisch ermittelte, stoffabhängige Größe. Temperatur und mittlere Geschwindigkeit stehen in einem sehr engen Zusammenhang wobei aber eine der beiden Größen aus der jeweils Anderen zu berechnen ist. Die kinetische Gastheorie betrachtet die Temperatur ohnehin als Maß für die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle. Was liegt also näher als die Temperatur mit der Einheit m 2 s 2 zu dimensionieren? Dafür würde die mit dem Molekülgewicht und den Freiheitsgraden der Moleküle proportionale spezielle Gaskonstante zum einheitenlosen Proportionalitätsfaktor. Es wird sich im späteren Verlauf zeigen, daß die Temperatur eher mit dem Impuls in Verbindung zu stehen scheint. Also wird hier nicht die naheliegendste sondern die zweite mögliche Lösung nämlich die Einheit m s verwendet.

In Tabelle 2 sind die Umdefinitionen der Einheiten verschiedener Größen aufgeführt. Deren Anzahl ist kleiner als in der Elektrodynamik, weil das Kelvin immer nur in stoffabhängigen Größen auftaucht. Ebenso wie das Ampere ist das Kelvin selbstbezüglich im Formelapperat der Physik. Der einzige Bezug zu anderen Gebieten der Physik besteht zur Strahlung.

Größe Einheit Definition ins MKS-System Bedeutung
Tabelle 2: Die in das MKS-System umdefinierten Größen der Thermodynamik
Temperatur (T) K m s Geschwindigkeit
Entropie (S) J K kg m s Impuls
Enthalpie (H) J kg m 2 s 2 Energie
Wärmewiderstand (Rth) K W s 2 kg m rezip. Kraft
Wärmekapazität (c) J kg K m s Geschwindigkeit
spez. Gaskonstante (Rs) J kg K m s Geschwindigkeit

Zusätzlich seien an dieser Stelle die drei wichtigsten Konstanten der Thermodynamik wiedergegeben. Die Einheiten sind umdefiniert.

Tabelle und Liste der Konstanten zeigen eine zweite logische Konsistenz auf. Temperatur und Planck’sches Wirkungsquantum — Geschwindigkeit und Wirkung. Demgegenüber ist die Einheit der Stefan-Boltzmann-Konstante nicht zu deuten. Allerdings ist eine Möglichkeit, daß sich diese Konstante aus mehreren Gliedern multiplikativ zusammensetzt. Wenn man nur der Einheit folgt ergibt sich die Sichtweise, daß eine Dichte auf eine Geschwindigkeit bezogen wird.

Die Temperatur als physikalische Energiedosis — bzw. als Teil davon — zu betrachten ist ungewohnt. Direkt von der Zustandsgleichung der Thermodynamik (9) soll der Bogen zur Quantenphysik geschlagen werden. Hier gibt es eine Gleichung für die Energiedosis. (12) D = 1 ρ E V Das Differential kann — mit den bekannten mathematischen Einschränkungen — auch als Differenzen-Quotient geschrieben werden. Zudem ist das Produkt aus einer konstanten Dichte und einem variablen Volumen nichts anderes als eine Masse-Differenz. D = 1 ρ Δ E Δ V (13) = Δ E Δ m

Mit (9) wird eine ebensolche Differenz zwischen zwei thermischen Zuständen gebildet. Das Produkt aus Druck und Volumen ist die Energie eines Gasvolumens. E 0 = p 0 V 0 E 1 = p 1 V 1 E 1 - E 0 = m R s T 1 - T 0 Δ E = m R s Δ T Die Änderung der Temperatur ändert die Energie des Gasvolumens. So weit so bekannt. Andererseits ist aber auch die – hier viel interessantere – Änderung der Masse möglich. Mehr Gas — mehr Energie. (14) Δ E = Δ m R s T Durch gleichsetzen von (13) und (14) erhält man D = R s T Eine eineindeutige Zuweisung der Einheiten von Gaskonstante und Temperatur ist nicht möglich. Aber der Hinweis auf die Signifikanz der Annahme ist deutlich genug. Die Gleichungen (13) und (14) sind kongruent.

Es gibt außerdem noch einen Vorgang, der gern unterschlagen wird, der aber diese Denkweise rechtfertigt. Es handelt sich dabei um die Verformung. Jeder, der schon einmal Metall kalt verformt hat weiß, daß das Metall dabei warm wird. Das kann beispielsweise mit Hammer und Amboß geschehen. Hier ist das auch am eindrucksvollsten. Hammer und Amboß bleiben kalt. Das umgeformte Metall wird hingegen warm. Bei diesem Vorgang scheint also Wärme vom kälteren zum wärmeren Objekt hin zu fließen. Jeder wird sofort protestieren. Aber an an den Tatsachen kann man nichts ändern. Was geschieht? Durch den Hammer wird ein Impuls auf das umzuformende Material übertragen. Die Atome bekommen dadurch in ihrem Gitter konsequenter Weise einen zusätzlichen Impuls. Sie schwingen in ihrem Gitter — an neuer Position — schneller. Der Impuls der Atome und die Temperatur stehen also in direktem Zusammenhang. Wäre dem nicht so, ist das Phänomen nicht erklärbar.